PhD Thesis Theo Möhlenkamp

Bestimmung der Aufbruchtemperatur hochangeregter Kerne aus Isotopenverhältnissen leichter Fragmente

Dresden, 1996

Summary: (Aus Kapitel 8 Zusammenfassung)

In dieser Arbeit wird eine neue Methode zur Bestimmung der Aufbruchtemperatur hochangeregter Kerne benutzt. Die in Schwerionenreaktionen gebildeten Projektilrestkerne zerfallen unter Emission leichter und auch mittelschwerer Fragmente. Aus den relativen Ausbeuten von leichten Fragmenten konnte mit Hilfe eines einfachen Modellansatzes indirekt auf die Temperatur der Kernmaterie zum Zeitpunkt des Aufbruchs geschlossen werden.

Zur Identifizierung einzelner Isotope im ALADIN-Spektrometer wurden die Fragmentspuren rekonstruiert. Dazu dienten eine Ionisationskammer und 18 Vieldrahtproportionalzähler, welche gleichzeitig in einem gemeinsamen Driftraum betrieben wurden. Die Proportionalzähler ermöglichten die Spurrekonstruktion leichter Fragmente bis hinunter zu He-Fragmenten. Damit konnten auch die Impulse und Massen dieser leichten Teilchen bestimmt werden. Es wurde eine Einzelmassenauflösung für Fragmente im Bereich von 3 <= A <= 25 erzielt.

Da man die Fragmentation in verschiedenen Ereignisklassen, entsprechend verschiedenen Stoßparametern, untersuchen kann, war es möglich, die nach Isotopen getrennten Ausbeuten leichter Fragmente, in Abhängigkeit von der Zentralität des Stoßes, zu messen. Die relativen Ausbeuten leichter Fragmente, insbesondere das 3He/4He- und das 6Li/7Li-Verhältnis, dienten im Rahmen eines einfachen Modellansatzes, welcher ein chemisches Reaktionsgleichgewicht beim Zerfall annimmt, als Maß für die Temperatur des Projektilrestkerns. Obwohl dieses Modell die Besetzung angeregter Zustände und den Beitrag sequentieller Zerfälle zur Fragmentproduktion vernachlässigt, konnte mit Hilfe verschiedener Zerfallsmodelle gezeigt werden, daß die Isotopen-Temperatur THeLi fast linear mit der tatsächlichen Temperatur ansteigt, so daß bereits ein konstanter Faktor zur Korrektur ausreicht.

Der Zusammenhang zwischen dieser Temperatur und der unabhängig davon gemessenen Anregungsenergie des Projektil-Spectators wurde in der Reaktion Au + Au bei E/A = 600 MeV untersucht. Diese sogenannte kalorische Kurve zeigt einen Verlauf, wie er von einem System, das einen Phasenübergang durchläuft, zu erwarten ist. Nach einem schnellen Anstieg der Temperatur im Verdampfungsbereich bei Anregungsenergien unterhalb von 2-3 MeV pro Nukleon bleibt das System bei einer fast konstanten Temperatur von 5 MeV über einen weiten Bereich der Anregungsenergie von 3-13 MeV pro Nukleon (latente Wärme). Erst in der Gasphase oberhalb einer Anregungsenergie von 13 MeV pro Nukleon steigt die Temperatur erneut an. Die beobachtete kalorische Kurve stimmt qualitativ mit den Vorhersagen des Kopenhagen-Modells überein, und sie ähnelt dem Musterbeispiel eines Phasenübergangs - dem Phasenübergang 1. Ordnung von Wasser.

Die Temperaturbestimmung wurde auch zur Untersuchung anderer Systeme durchgeführt. Dabei zeigte sich ähnlich wie bei den Ladungsverteilungen eine Targetunabhängigkeit bei der Auftragung gegen Zbound. Auch eine Abhängigkeit vom Projektil oder der Einschußenergie konnte im Rahmen der systematischen Unsicherheiten nicht festgestellt werden.

Um die Temperatur unabhängig vom 3He/4He-Verhältnis, welches vermutlich stark durch sequentielle Zerfälle beeinflußt wird, messen zu können, wurde ein anderes Temperaturmaß TBeLi aus den Ausbeuten von Be- und Li-Isotopen abgeleitet. Es zeigte sich qualitativ der gleiche Verlauf als Funktion von Zbound wie bei THeLi. Damit konnte eine Verschiebung des 3He/4He-Verhältnisses durch das Abdampfen von α-Teilchen beim sekundären Zerfall als triviale Ursache des Temperaturanstiegs bei zentralen Stößen ausgeschlossen werden.

Die kalorische Kurve kann als experimentelle Bestätigung der seit vielen Jahren vorausgesagten Existenz eines Flüssig-Gas-Phasenübergangs angesehen werden. überraschend ist, daß, obwohl es sich bei der Fragmentation um einen dynamischen Prozeß handelt, eine kalorische Kurve beobachtet wird, welche frappierende ähnlichkeit mit der kalorischen Kurve makroskopischer Systeme hat, welche sich im vollständigen thermodynamischen Gleichgewicht befinden.

Auch wenn der Vergleich der kalorischen Kurve mit denen makroskopischer Systeme auf der Hand liegt, darf diese Analogie nicht zu wörtlich genommen werden. Wie bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erwähnt wurde, ist ein Atomkern ein endliches System, das sich - ohne die bei makroskopischen Systemen von außen vorgegebenen Felder und Randbedingungen - eigendynamisch entwickelt. Die Einflüsse der Reaktionsdynamik, der endlichen Teilchenzahl und der endlichen Verweilzeit des Systems im Phasengrenzgebiet sind nur einige der vielen Fragen, die noch zu klären sind, bevor endgültige Schlußfolgerungen hinsichtlich charakteristischer Parameter des Phasendiagramms von Kernmaterie gezogen werden können.

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Figures: Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30
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