PhD Thesis Gerd J. Kunde

Multifragmentation in der Reaktion 197Au+197Au in zentralen Kollisionen bei E/A=100MeV und peripheren Kollisionen bei E/A=400MeV

Frankfurt, 1994

Summary: (aus Kapitel 7 Zusammenfassung)

Zur Untersuchung der Multifragmentation in Au+Au Reaktionen im Energiebereich zwischen 100 und 400 MeV pro Nukleon wurde an der GSI in Darmstadt ein gemeinsames Experiment zwischen der ALADiN/LAND-Kollaboration und der MINIBALL-Gruppe der Michigan State University durchgeführt. Durch die Kombination der verschiedenen Detektorsysteme wurde eine hohe Nachweiseffizienz für Fragmente in fast 4π Geometrie erreicht.

Bei E/A=100 MeV wird die maximale mittlere Fragmentmultiplizität von 12±1 im Bereich zentraler Reaktionen beobachtet, wohingegen bei E/A=400 MeV das Maximum der Multiplizität von 9 IMFs bei einem Stoßparameter von etwa 9fm liegt. Normiert man diese maximale Multiplizität jedoch auf die jeweilige Größe des fragmentierenden Systems - etwa 400 Nukleonen in der zentralen Au+Au Reaktion bei 100 MeV und 2*150 Nukleonen in der peripheren Reaktion bei 400 MeV - so findet man in beiden Fällen eine Fragmenthäufigkeit, die einem Fragment pro 33 Nukleonen entspricht.

Neben dieser Gemeinsamkeit konnten allerdings auch Unterschiede festgestellt werden. So folgt im Bereich der maximalen Fragmentmultiplizität bei E/A=400 MeV die Fragmentverteilung einem Potenzgesetz, wohingegen bei E/A=100 MeV eine exponentielle Abhängigkeit beobachtet wird. In früheren Analysen der Aufbruchsdynamik des in peripheren Reaktionen erzeugten Projektil-spectators bei relativistischen Energien wurde kein signifikanter kollektiver, radialer Fluß festgestellt \cite{Lin93}. Dagegen weisen die in zentralen Au+Au Kollisionen bei E/A=100 MeV beobachteten kinetischen Energiespektren der Fragmente bei Θcm=90° im Schwerpunktsystem auf mittlere Flußenergien pro Nukleon von typisch < εflow > ~ 10 MeV hin. Allerdings erlaubt es die Form der Energiespektren nicht, den thermischen und den kollektiven Anteil der mittleren kinetischen Energie der Fragmente eindeutig zu separieren. Trotz dieser Einschränkung ergibt sich allerdings zweifelsfrei, daß die Energieverteilungen der verschiedenen Fragmente nicht mit ein und derselben radialen Flußenergie pro Nukleon reproduziert werden können.

Zum Verständnis des Unterschiedes der Fragmentverteilungen in zentralen und peripheren Reaktionen wurde ein einfaches Modell entwickelt, das den Einfluß des kollektiven, radialen Flusses auf die Fragmentbildung berücksichtigt. Diese Rechnung demonstriert anhand eines Koaleszenzbildes im Impulsraum, daß ein radialer Fluß die Produktion schwerer Fragmente unterdrückt. Aus den relativen Produktionswirkungsquerschnitten für Fragmente bei E/A=100 und 400 MeV kann - für die Reaktion bei 100 MeV - ein Verhältnis zwischen der mittleren Flußenergie pro Nukleon und der, die zufälligen Impulskomponenten charakterisierenden, Temperatur von etwa 1.4 abgeleitet werden. Durch Kombination mit den, aus den Energieverteilungen gewonnenen, Relationen zwischen der (scheinbaren) Temperatur und dem radialen Fluß kann für Z=8 Fragmente eine typische mittlere Flußenergie pro Nukleon von < εflow > ~ 5 MeV und ein Temperaturparameter von etwa 6 MeV abgeschätzt werden.

Als eine weitere Konsequenz der Existenz des radialen Flusses in zentralen Reaktionen ergibt sich, daß rein statische Modelle nur bedingt zur Beschreibung der Multifragmentation in diesen zentralen Stößen geeignet sind. Allerdings kann auch im Rahmen des Quanten-Molekular-Dynamik-Modells (QMD) nur eine qualitative Reproduktion der Stoßparameterabhängigkeit der Fragmentmultiplizitäten erreicht werden. Die vorhergesagten Multiplizitäten liegen zum Teil deutlich unter den experimentellen Beobachtungen, wobei zwei unterschiedliche Probleme zu erkennen sind: In zentralen Reaktionen werden bereits während der frühen Phase der Reaktion zu viele leichte Teilchen und zu instabile Fragmente gebildet. Dagegen findet man in peripheren Reaktionen einen zu stabilen spectator-Rest.

Auffallend ist, daß in zentralen Reaktionen bei E/A = 100 MeV das Defizit der von QMD+SMM vorhergesagten Fragmentmultiplizität bei Θcm=90° im Schwerpunktsystem deutlich geringer ausfällt als entlang der Strahlachse. In weitergehenden Analysen wird es daher interessant sein, der Frage nachzugehen, ob diese Beobachtung allein auf eine inkorrekte Selektion zentraler Stöße zurückzuführen ist oder ob sie mit einem, durch ein unvollständiges Abbremsen der Kerne hervorgerufenen, größeren kollektiven Fluß in bzw. entgegen der Strahlrichtung verknüpft ist. Weiterhin ist das Defizit bei dem Schwerpunktwinkel Θcm=90° am stärksten bei hohen kinetischen Energien ausgeprägt. Die Frage, ob dieses Fehlen von (aus hochenergetischen Nukleonen zusammengesetzten) schnellen Fragmenten in den QMD-Simulationen mit dem Defizit von Fragmenten unter Vorwärts- bzw. Rückwärtswinkeln im Schwerpunktsystem verknüpft ist, sollte ebenfalls Thema zukünftiger Studien sein.

Es wurde versucht, auch den Ursachen der, von den QMD-Rechnungen vorhergesagten, zu geringen Fragmentmultiplizität in peripheren Reaktionen bei E/A=400 MeV näher zu kommen, indem der transversale Impulstransfer auf den Projektil-spectator bestimmt und mit den QMD-Vorhersagen verglichen wurde. In den peripheren Reaktionen zeigen die QMD-Simulationen - nahezu unabhängig von der Wahl der Kernzustandsgleichung - einen deutlich zu geringen Impulstransfer. Geht man davon aus, daß Impulsübertrag und Energiedeposition korreliert sind, so ist die Ursache der zu geringen Fragmentmultiplizität in peripheren Stößen nicht in der Aufbruchsdynamik sondern in der frühen Reaktionsphase zwischen Target und Projektil zu suchen. Auch wenn die beobachteten transversalen Impulsüberträge in semizentralen Au+Au Reaktionen bei E/A=400 MeV besser durch eine harte Zustandsgleichung beschrieben werden, zeigt die Diskrepanz in den periphereren Reaktionen, daß man zum jetzigen Zeitpunkt noch keine entgültigen Aussagen über die Zustandsgleichung treffen kann.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß durch den Vergleich der Multifragmentation im System Au+Au in zentralen Reaktionen bei E/A=100 MeV und peripheren Kollisionen bei E/A=400 MeV der Einfluß des radialen Flusses auf die Fragmentationsdynamik untersucht werden kann. Auch wenn eine abschließende Interpretation der vorliegenden experimentellen Beobachtungen noch nicht möglich ist, lassen die hier vorgestellten Ergebnisse hoffen, daß sie zu einem besseren Verständnis der Fragmentproduktion in dynamischen Modellen beitragen werden.

Paper: Postscript (17.2 Mb) ~141 pages
TeX Sources
Figures: Abb. 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7, 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 3.1, 3.2, 3.3, 3.4, 3.5, 3.6, 3.7, 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5, 4.6, 4.7, 5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5, 5.6, 5.7, 5.8, 5.9, 5.10, 5.11, 5.12, 5.13, 6.1, 6.2, 6.3, 6.4, A.1, A.2, A.3, A.4, A.5, A.6, A.7, A.8, A.9, A.10, A.11, A.12, A.13, A.14, A.15, A.16, A.17, A.18, A.19.
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Note: Figures 2.1, 2.2, 2.3, 2.4 and 3.3 are in ps and not in eps form.

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