PhD Thesis Tariq Odeh

Aufbruchtemperaturen hochangeregter Kerne in relativistischen Schwerionenreaktionen

Frankfurt, 1999

Summary: (Taken from Chapter 7 Zusammenfassung)

Zur Überprüfung der kalorischen Kurve und ihrer physikalischen Interpretation wurden chemische und kinetische Temperaturen für den Spektatorzerfall in der Reaktion Au+Au bei 1000 A MeV bestimmt. Für eine systematische Untersuchung der chemischen Temperaturen wurden darüberhinaus auch die Isotopenverteilungen des Projektilaufbruchs in den Reaktionen Au+Au, Cu, Al, C bei 600 A MeV, und die der Reaktionszone für Au+Au bei Einschußenergien zwischen 50 und 200 A MeV analysiert.

Das Maß, in dem unterschiedliche Isotopentemperaturen auf eine Veränderung der Anregungsenergie reagieren, ist für den Spektatorzerfall und für die Reaktionszone bei zentralen Stößen sehr ähnlich. Daraus folgt, daß die beim Spektatorzerfall veränderliche Systemgröße eine untergeordnete Rolle spielt. Neben den Thermometern, in die das 3He/4He-Verhältnis eingeht, zeigen auch TBeLi und THeLiBe einen deutlichen Temperaturanstieg mit steigender Anregungsenergie. Diese Thermometer scheinen für die Bestimmung chemischer Temperaturen geeignet zu sein, zumal sie der beim 3He/4He-Verhältnis diskutierten Emissionszeitfolge weniger stark unterliegen. Dagegen sind die Thermometer, die auf dem 11C/12C-Verhältnis basieren, nur wenig empfindlich auf eine Variation der Anregungsenergie. Dies wird auf den starken Einfluß sequentieller Zerfälle zurückgeführt. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist die Unabhängigkeit der Isotopentemperaturen als Funktion von Zbound bei verschiedenen Einschußenergien und unterschiedlichen Targets (Universalität).

Die Energiespektren der Targetfragmente haben die Form von Maxwell-Boltzmann-Verteilungen. Sie lassen sich gut mit der Annahme einer einzigen Quelle beschreiben. Lediglich die Energiespektren der Protonen und 4He-Isotope zeigen eine zusätzliche kältere Verdampfungskomponente. Konsistent zu einer thermisch äquilibrierten Quelle sind die Temperaturparameter von der Fragmentmasse unabhängig. Sie steigen zu höheren Anregungsenergien hin an. Nur die Temperaturparameter der Protonen liegen deutlich höher und bleiben über den gesamten Bereich der Anregungsenergie fast konstant. Bei der Bestimmung der Temperaturparameter wurden die Einflüsse der Coulombenergie und der Quellbewegung berücksichtigt. Sie wurden mit Modellrechnungen abgeschätzt.

Das statistische Multifragmentationsmodell SMM kann die Partitionierung des Systems für Fragmente mit der Ladungszahl Z >= 2, folglich auch die Isotopentemperatur THeLi, gut reproduzieren. Allerdings liegen die Anregungsenergien des Modells deutlich unter den durch Kalorimetrie bestimmten experimentellen Werten. Ursache ist eine systematische Unterschätzung der kinetischen Energien einerseits, der Neutronen- und Wasserstoffmultiplizitäten andererseits. Mit Kaskaderechnungen kann diese Diskrepanz einer Vorgleichgewichtskomponente zugeschrieben werden, die mit der Einschußenergie anwächst. Sowohl die experimentell beobachtete Zunahme der Anregungsenergie bei wachsender Einschuß\-energie, als auch die hohen Temperaturparameter der Protonen erklären sich aus der Existenz dieser Komponente.

Die beobachtete Differenz zwischen kinetischen und chemischen Temperaturen findet im Goldhaber-Modell eine natürliche Ursache, die auf der fermionischen Natur der Nukleonen fußt: Bei der Fragmentation bleiben die Beiträge der Fermiimpulse zur kinetischen Energie erhalten und werden direkt auf die Fragmente übertragen. Die Konservierung der Fermiimpulse deutet an, daß die Spektatorfragmentation ein schneller Prozess ist. Die Zeit reicht nicht aus die kinetischen Freiheitsgrade nach der Fragmentbildung zu äquilibrieren. Die gute Übereinstimmung der chemischen und kinetischen Temperaturen nach Berücksichtigung der Fermiimpulse weist auf ein gleichzeitiges Ausfrieren kinetischer und chemischer Freiheitsgrade hin. Im Gegensatz dazu kann man annehmen, daß die inneren Freiheitsgrade nach einer adiabatischen Expansion, also später festgelegt werden. Dies drückt sich in den konstant niedrigen Temperaturen der Zustandsthermometer aus. Auch die mit SMM vorhergesagten niedrigen Teilchenenergien und Anregungsenergien können durch die im Modell vernachlässigten Beiträge der Fermienergien erklärt werden. Es verbleibt jedoch die Frage, warum mit SMM, in dem alle Freiheitsgrade als äquilibriert angenommen werden, die Partitionierung des Spektatorzerfalls beschrieben werden kann, obwohl die kinetischen Größen nicht reproduziert werden.

Die in dieser Arbeit bestimmten Temperaturwerte bestätigen im wesentlichen die früheren THeLi-Werte der kalorischen Kurve. Bei der Anregungsenergieachse bleibt allerdings das Problem, daß zu den gemessenen Anregungsenergien sowohl die Vorgleichgewichtskomponente der Nukleonen, als auch die von der Fermibewegung dominierten Fragmentenergien beitragen. Beide Anteile haben ihren Ursprung im speziellen Reaktionsablauf und sind nicht eigentlicher Bestandteil der kinetischen Bewegung eines fragmentierten Systems im Gleichgewicht. Eine Möglichkeit zur Darstellung einer universellen kalorischen Kurve besteht in der Verwendung der von SMM vorhergesagten Anregungsenergien. Diese kalorische Kurve zeigt deutliche Signaturen eines Flüssig-Gas-Phasenübergangs.

Paper: Postscript 118 pages (8.0 Mb)
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Figures: Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61
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